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Beim letzten Schlossherrn

Robert Bovet ist Erbe von Schloss Vullierens und dessen prachtvollen Gärten. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, das Anwesen im Kanton Waadt für die Öffentlichkeit zu bewahren. Mit einer Stiftung will er es in die Zukunft führen.

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Ein Schloss, viele verschiedene Gärten und ein stilvolles Café: Vullierens ist ein Ort zum Verweilen und Wiederkommen. Nicht nur für Gartenfans.

Seine Iris sind weitherum bekannt, ihn aber kennt kaum jemand. Seit Jahren flanieren Tausende von Besucherinnen und Besuchern durch die Gärten von Schloss Vullierens im Kanton Waadt – er, der Schlossherr Robert Bovet, aber blieb stets inkognito. Auch wenn er regelmässig mitten durch die Menschenmenge spaziert. Kein Wunder: Es gibt kaum ein Bild von ihm, und sowieso ist er, ein viel beschäftigter Geschäftsmann, oft unterwegs. Umso überraschender seine Reaktion auf die Frage, ob er nicht doch ein Interview geben und sich fotografieren lassen wolle. Er willigte ein. Robert Bovet öffnet die grosse, schwere Tür zu seinem Schloss. Ein schlanker Mann in den Siebzigern, in Jeans und feinem Strickpullover. Mit freundlichem Lächeln bittet er in den Salon gleich rechts neben dem Eingang. Ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint: antike Möbel, sorgfältig restaurierte historische Tapeten, kostbare Gemälde. Er setzt sich in einen Sessel, ein Mitarbeiter bringt Getränke.

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Die Allee neben dem Schloss im späten Frühling: in den Baumkronen das frische Grün der spriessenden Blätter, zu Füssen der Bäume Tausende Blüten der Rhododendren und Azaleen. Da und dort sind Skulpturen in Szene gesetzt.

Wie soll es weitergehen?

Robert Bovet ist der letzte Akteur in einer über siebenhundert Jahre währenden Geschichte. So lange sind das Schloss und dessen Umgebung im Besitz der Familie. Kinder hat er keine, und auch in der weiteren Verwandtschaft fand sich niemand, der das Anwesen übernehmen könnte. So steht Robert Bovet vor der drängenden Frage, wie das Schloss und dessen international bekannte Gärten erhalten bleiben können.

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Ein Schlossherr, der lieber unerkannt bleibt: Robert Bovet vor dem Rosengarten, der seiner 2006 verstorbenen Frau, der Künstlerin Dorianne Destenay-Bovet, gewidmet ist.

Wie sehr hängt Ihr Herz an diesem Ort?
Ich bin in Südafrika aufgewachsen, wo mein Vater als Chirurg arbeitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen meine Eltern zurück nach Europa, und ich erinnere mich, wie ich als Fünfjähriger das erste Mal hierherkam. Als wir in die Einfahrt einbogen, kam eine grauhaarige, alte Frau aus der Tür – meine Grossmutter väterlicherseits –, die ich noch nie gesehen hatte. Ich sagte zu meinen Eltern: «In diesem Hotel möchte ich nicht bleiben.» Der Ort wirkte nicht sehr freundlich auf mich. Doch nach all den Jahren ist aus diesem ersten Eindruck eine Art Hassliebe geworden.

Eine Hassliebe?
Ja, wobei Hass ein zu starkes Wort ist. Ich möchte vielmehr sagen, dass das Schlossleben nicht einfach ist, da es sehr viel persönliches und finanzielles Investment verlangt. Jedes Mal, wenn ich nach einem Auslandaufenthalt zurückkomme, trete ich über die Schwelle und werde sogleich mit Problemen konfrontiert: Reparaturen, die anstehen, Dinge, die gelöst werden müssen. Das ist eine Herausforderung. Gleichzeitig ist es ein grossartiger Ort, an dem wir als Kinder viel erlebt haben, beim Ritterspiel auf dem Dachboden mit den anderen Kindern aus dem Dorf oder in den Wäldern und Gärten rund um das Schloss.

Verkaufen war nie ein Thema?
Mein Vater hätte das Schloss verkaufen können, aber meine Mutter hat es verhindert und geschaut, dass es an mich und meine Schwester übergeht. Seither mache ich alles mir Mögliche, um das Anwesen zu unterhalten, zu verschönern, Arbeitsstellen zu schaffen und die Türen für das Publikum immer weiter zu öffnen.

Robert Bovets Mutter Doreen war für die Entwicklung der Domaine zentral. Sie stammte aus San Francisco, hatte aber viele Jahre in Johannesburg in Südafrika gelebt und dort zwei Gärten angelegt. Als die Familie Schloss Vullierens geerbt hatte und fortan zwischen Südafrika und der Schweiz pendelte, begann Doreen mit Leidenschaft, die Schlossumgebung in ein Blumenparadies zu verwandeln. Im ehemaligen Gemüsegarten pflanzte sie in den Fünfzigerjahren die ersten Schwertlilien, die sie ganz besonders mochte. 1955 öffnete sie den Garten zum ersten Mal für die Öffentlichkeit, um die sechzehn verschiedenen Iris zu zeigen, die darin blühten. Zu Beginn waren es hauptsächlich weisse und gelbe Sorten, aber das Sortiment wurde jedes Jahr grösser. Doreen Bovet bezog die Iris direkt aus den USA bei der Iriszüchter Familie Schreiner, einer aus der Schweiz ausgewanderten Gärtnerfamilie. Als Doreen Bovet 1974 starb, zählte ihre Sammlung siebzig Sorten. Sohn Robert übernahm das Erbe, hatte aber zu Beginn viele Fragen dazu, wie er es gut weiterentwickeln könnte. Wie beim Schloss fühlte er sich auch beim Garten dem Erbe seiner Mutter verpflichtet und begann aus Respekt, sich damit zu beschäftigen. Die Pflanze faszinierte ihn mehr und mehr – mit ihren mal gepunkteten, mal fransigen, mal getigerten Blütenhüllblättern. Wegen der grossen Nachfrage nach Irisrhizomen hatte bereits Doreen Bovet damit begonnen, diese zu vermehren und zu verkaufen. Ihr Sohn führte die Arbeit weiter und erweiterte die Sammlung auf über vierhundert Sorten. Damals waren die Gärten nur sechs Wochen im Jahr geöffnet, während der Blütezeit der Iris im April und Mai. Sonst war der Garten privat geblieben. Robert Bovets Frau, die Künstlerin Dorianne Destenay-Bovet, brachte ebenfalls ihre Handschrift mit ein und erste Skulpturen in die Gärten von Vullierens. Über die Frauen, deren Geschichte und deren Ideen kann man auf der Webseite des Schlosses viel lesen. Robert Bovet hingegen wird kaum erwähnt.

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Viel besungen und in Prosa verherrlicht: Auf Schloss Vullierens gedeihen Hunderte von Rosensorten, bringen Duft und Farbe in das Rosenparterre und den «Geheimen Garten».

Wieso kommen in der Geschichtsschreibung des Schlosses fast nur Frauen vor?
Ich habe es immer vorgezogen, im Hintergrund zu bleiben. Die Frauen, die hier waren, seien es Gärtnerinnen oder Partnerinnen, haben alle eine wichtige Rolle gespielt. Ich stelle lieber die Frauen in den Vordergrund, sie sind doch meistens sensibler, fähiger und energiereicher als wir Männer.

Doch auch Sie haben in den letzten Jahren die Gärten enorm weiterentwickelt.
Wir haben viele neue Themengärten gestaltet. Das Hauptziel ist, dass das Anwesen finanziell unabhängig von mir bestehen kann. In Zukunft soll eine Stiftung den Fortbestand des Schlosses sichern.

Wie wollen Sie genügend Einnahmen erwirtschaften?
Unsere Situation war folgende: Sechzig Prozent der Ländereien des Anwesens sind landwirtschaftlich genutzt, der Rest ist nicht bebaubar. Die Landwirtschaft ist aber ohne Direktzahlungen kaum rentabel. Daher mussten wir andere Instrumente zur Erhaltung des Erbes entwickeln: den Anbau der Iris, die Öffnung der Gärten für die Öffentlichkeit von sechs Wochen auf sieben Monate ausdehnen. Wir pflanzten mehr und neue Rebsorten, erweiterten die Weinpalette und fassten Fuss im Weintourismus. Zudem haben wir das zum Schloss gehörende alte Bauernhaus aus dem sechzehnten Jahrhundert in eine Location für Seminare, Hochzeiten und andere Veranstaltungen umgebaut.

Text Sarah Fasolin Fotos Stöh Grünig

Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #3/2023. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper.

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