Garten
England im Baselland
Ein Garten wie ein Gedicht: üppig, rhythmisch, mal blumig ausschweifend, mal auf den Punkt gebracht. Wie Samuel und Liselotte Buess aus Wenslingen BL die Geschichte ihres Gartens neu geschrieben haben.

Auf einmal tauchen am Rand des Gartens zwei Velofahrerinnen auf und fragen, ob sie einen Blick in den Garten werfen dürften. Sie seien schon einmal hier gewesen im Rahmen der «Offenen Gärten». Sie würden gerne nochmals einen Augenschein nehmen – jetzt, wo die Rosen so schön blühen. «Ja natürlich», sagt Samuel Buess, «kommt ruhig.»
Er reagiert wie die Engländer, die in puncto Gartenbesuche meistens auch so unkompliziert sind. Spontaneität und Offenheit gegenüber interessierten Gartenfans haben Samuel und Liselotte Buess in England oft erlebt. Mehrmals sind sie ins Land der Gärten gereist, um sich von dessen lebendiger Gartenkultur inspirieren zu lassen. Diese Reisen haben viel ausgelöst beim Ehepaar: In ihrem Garten kam es zu einem kompletten Neuanfang. Früher hatten die beiden rund um ihr umgebautes Bauernhaus in Wenslingen im Baselland ein paar Rosenrabatten, Gemüsebeete und Obstbäume. Heute wandelt man durch eine verträumte Welt voller Rosen und Staudeninseln, einen stilvollen Gemüsegarten, eine mit Trockensteinmauern terrassierte Naturwiese mit alten Bäumen, einen formalen Garten und an vielen lauschigen Sitzecken vorbei. Der Garten ist eingeteilt in verschiedene Räume, in denen jeder einem eigenen Thema gewidmet ist. Und doch sind sie alle verbunden durch Sichtachsen, die vom einen zum anderen führen und den Garten wie ein unsichtbares Netz zusammenhalten.

Sie teilen das Leben und ihre grosse Leidenschaft: Gärten. Obwohl ihr Garten mit zweitausendeinhundert Quadratmetern eine stattliche Grösse hat, wollen Liselotte und Samuel Buess ihn nicht vereinfachen – auch nicht im Hinblick aufs Alter. Annette Fischer
Wild und doch geordnet
Samuel und Liselotte Buess waren eigentlich schon Profis, als sie 2000 zum ersten Mal nach England reisten. Er, damals 49, hatte schon seit über zwanzig Jahren ein eigenes Gartenbaugeschäft, in dem sie tatkräftig mithalf. Viele Jahre hatte er Gärten gebaut und gepflegt, wie er es in der Lehre und während seines dreijährigen Kanadaaufenthalts gelernt hatte. «So wie man es damals halt gemacht hat», sagt er schulterzuckend: «Sommerflorrabatten, Rosenbeete, Gemüsegarten – so in der Art.» In Bath in England wollten die beiden dem Geheimnis der englischen Gartenkultur auf die Spur kommen, mieteten Velos und fuhren los. Der grosse Privatgarten «Lady Farm Gardens» mit einer vielfältigen Staudenbepflanzung stand als Erstes auf dem Programm, aber auch «Rousham House & Gardens» oder «Hidcote Manor Garden». «Schon nach dem ersten haben wir realisiert, wie viel mehr möglich ist in der Gestaltung von Gärten», erinnert sich Liselotte Buess.
Heute, vierundzwanzig Jahre und ungezählte Gartenreisen später, können sie die Rezepte der Engländerinnen und Engländer genau benennen. «Sie setzen Pflanzen geschickt miteinander in Szene», erklärt Samuel Buess, «also eine ausgeklügelte Kombination aus grobblättrigen mit feinblättrigen, hochwachsenden mit niedrigwachsenden Pflanzen.» Dazu achten sie auf harmonierende Blütenfarben und unterschiedliche Blütezeiten. «Ein Garten soll wild aussehen und doch geordnet, natürlich wirken, aber trotzdem nicht aus dem Ruder laufen.» Es gilt, die Balance zwischen Laisser-faire und Kontrolle zu finden.

Der formale Garten an der Südseite des Hauses hat klare Symmetrien und Sichtachsen. Hier blüht es – ohne Ausnahme – in Gelb-und Rottönen. Annette Fischer
Wer darf bleiben?
Bei Samuel und Liselotte Buess wachsen zum Beispiel Spanische Gänseblümchen aus den Ritzen der Treppe, die auf eine untere Ebene zum formalen Garten führt. Die Stufen wirken dadurch weniger kantig und gepützelt, sondern verspielt. In den Zinnwannen beim Sitzplatz gedeihen eigentlich Hostas – dazwischen hat sich aber eine einsame Lupine via Samen ein Plätzchen gesucht und blüht. Sie darf bleiben, auch wenn sie das Gestaltungskonzept aufbricht.
Stets stellt sich die Frage, welche Pflanzen man wachsen lassen kann und will. Und welche gut zusammen passen und ein schönes Bild abgeben. All dies setzt einiges an Pflanzenwissen und Erfahrung mit dem eigenen Garten voraus. Und obwohl Samuel und Liselotte Buess mit ihrem Garten in Wenslingen schon einige Jahre Erfahrung hatten, wussten sie nach ihren ersten Englandreisen: Wir wollen einen Neuanfang und dafür Unterstützung durch einen Profi. Von einem Zeichenkurs her kannte Samuel Buess den Landschaftsarchitekten Vital Bucher, den er nach Wenslingen einlud. Einen Monat später schickte dieser seine Skizzen. «Wir wussten sofort: Das ist es», erinnern sich die beiden.

Licht und Schatten, Farben und Formen, Nutzen und Zier: Herausragende Gärten bringen all dies zu einem stimmigen Gesamtwerk zusammen. Weil sie sich dies und nicht weniger für ihren Garten wünschten, wagten Liselotte und Samuel Buess vor vierundzwanzig Jahren einen Neuanfang. Annette Fischer
Während Jahren gebaut
Gebaut und bepflanzt haben die beiden ihren neuen Garten selber: während Jahren, Schritt für Schritt. Man erreicht ihr Werk über einen leicht ansteigenden Kiesweg, der wie durch einen Tunnel aus Gehölzen führt. Es ist der weisse Garten, in dem nur weisse Pflanzen blühen, und zwar solche, die auch mit Schatten gut zurechtkommen. Allerdings: Wenn die Rhododendren blühen, stimmt das Farbkonzept nicht ganz. Dann gesellt sich Lila zum Weiss. Aber die Rhodos waren schon lange da und wurden einst einer Tante zuliebe gesetzt. Als Erinnerung an sie wollten Sämi und Liselotte die Sträucher behalten.
Tritt man am Ende des Pfads aus dem Gehölztunnel, steht man auf einem Kiesplatz mit ovalen Staudenbeeten, in denen es in Weiss, Blau und Gelb blüht. Gleich dahinter liegt der Gemüsegarten, nicht irgendwo an den Rand gedrängt, sondern als eigener schmucker Gartenraum mittendrin. Sechs Hochbeete aus Stahl sind bogenförmig aufgereiht, in der Mitte steht ein Brunnen. Hier ziehen die beiden Kräuter und Gemüse auf Hüfthöhe – ein Komfort, auf den sie nicht mehr verzichten möchten.
Ein grosses Highlight des Gartens – und in dieser Form in Privatgärten auch selten zu sehen – ist der fünfzig Meter lange Rosenbogengang mit acht Bögen, an denen sich verschiedene Kletter-rosen emporranken, etwa die ‘Guirlande d’Amour’ oder die ‘Super Dorothy’, die Samuel Buess für Bögen besonders empfiehlt. Der Rosengang wird von breiten Staudenmischpflanzungen, sogenannten Mixed Borders gesäumt. Rote und weisse Spinnenblumen, Katzenminze, Ziergräser und andere gaukeln entlang des Wegs. Hier zu spazieren, ist ein besonderes Erlebnis.
Text Sarah Fasolin Fotos Annette Fischer
Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #3/2024.