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Ein Herz für Gartenkultur

Wo grosse Ideen zu Gärten werden

An einem unscheinbaren Ort in Domat/Ems GR trifft man ganz unerwartet auf eine stimmungsvolle Gartenwelt. Hier zeigt sich Leben und Wirken der beiden Landschaftsarchitekten Maja Tobler und Olivier Zuber.

Wo grosse Ideen zu Gärten werden
Filigranes Glashaus vor schroffer Felswand: Die Berge als Kulisse geben der Bühne – dem Garten – einen starken Ausdruck.

In der Ferne rauscht es von der Autobahn, stossweise brausen Züge vorbei, und latent brummt es von der Kantonsstrasse. Würde man hier, im Industriegebiet von Domat/Ems GR, einen solchen Garten erwarten, schön und verspielt? Wie kann in einer solchen Umgebung Idylle entstehen? Der Garten selbst gibt die Antwort. Und auch die beiden Menschen, die hier auf dem ehemals als Baumschule bewirtschafteten Land Garten um Garten schaffen. Neuntausend Quadratmeter haben Olivier Zuber und Maja Tobler bereits bepflanzt. Neuntausend Quadratmeter! Es ist ein warmer Herbsttag. Während in vielen Gärten die Saison langsam zu Ende geht, kommt man im Präriegarten im hintersten Bereich des Gartenateliers nicht aus dem Staunen heraus. Wie sich die Gräser wiegen, sich mit den Stauden verweben. Wie einem die Beete so schwungvoll zu Füssen liegen, umrahmt von mächtigen Bäumen. Hier kann man stehen und träumen, ohne zu merken, wie die Zeit vergeht. Es ist der jüngste Gartenbereich, der entstanden ist. Studenten, die Maja Tobler als Landschaftsarchitektin und Ausbilderin im Bereich Pflanzenverwendung unterrichtet, haben diesen Garten mitgeplant und angelegt. Dazu wurde auch das Terrain leicht modelliert, damit es nicht bloss flach ist, sondern leicht hügelig. 

Fast wie in der Prärie: Gräser, Stauden, Weite. In der Ferne der Gipfel des Montalin.

Fast wie in der Prärie: Gräser, Stauden, Weite. In der Ferne der Gipfel des Montalin.

Alles gehört zusammen

Vor fünf Jahren erst haben Maja Tobler und Olivier Zuber das Gartenatelier und seine Gärten ins Leben gerufen und damit viele Ziele vor Augen gehabt: eigene Ideen verwirklichen, aber gleichzeitig eine Art Schaugarten schaffen, in dem Interessierte Ideen und Anregungen finden für den eigenen Garten. Und das Gartenatelier sollte eine Drehscheibe werden für Gleichgesinnte. Ein Ort, an dem Gartenkurse und andere Anlässe stattfinden können. Das Atelier ist nicht das erste gemeinsame Projekt von Maja Tobler und Olivier Zuber – aber das bislang grösste. Und es gäbe es wahrscheinlich nicht, wenn die beiden nur ihre Leidenschaft für Gärten und Pflanzen und nicht auch ihr Leben teilen würden. Denn bei ihnen gehört alles irgendwie zusammen. Die beiden lernen sich vor neunundzwanzig Jahren in der Gartenbauschule Oeschberg im Kanton Bern kennen. Maja Tobler ist in Brasilien aufgewachsen, wo ihre Eltern, beide Schweizer, eine Farm verwalteten und der Vater nebenbei Orchideen sammelte. Schon als Mädchen hatte Maja verkündet, sie wolle einmal Gärtnerin werden. Als Achtzehnjährige setzt sie dieses Vorhaben ganz alleine in die Tat um. Von Brasilien aus bewirbt sie sich für eine Lehrstelle auf dem Oeschberg, zu dem auch ein Internat gehört. Im Schulzimmer lernt sie Olivier Zuber aus dem Bündnerland kennen. Ihm war das Gärtnern sozusagen in die Wiege gelegt worden. Sein Grossvater hatte in Domat/Ems 1940 eine Baumschule und einen Gartenbaubetrieb gegründet. Sein Vater hatte das Geschäft weitergeführt, und auch Olivier lernte schon als Kind das Gärtnerhandwerk, das er unbedingt zu seinem Beruf machen wollte. Ob er anschliessend auch grad noch Landschaftsarchitektur studiert hätte, wenn er Maja Tobler nicht begegnet wäre, weiss er nicht. Für sie ist es damals das erklärte Ziel. So ziehen die beiden, die bald ein Paar werden, zusammen nach Rapperswil SG und schliessen das Studium an der Hochschule für Technik ab. 

Palmlilien-Mannstreu (Mitte) trifft Patagonisches Eisenkraut. In milden Lagen versamt sich Letzteres und verändert das Gartenbild jedes Jahr neu.

Palmlilien-Mannstreu (Mitte) trifft Patagonisches Eisenkraut. In milden Lagen versamt sich Letzteres und verändert das Gartenbild jedes Jahr neu. 

Leben und arbeiten fügt sich ineinander

Arbeit, Freizeit und Ferien drehen sich bei ihnen um Pflanzen, Architektur und Kultur. Denn wo immer die beiden zusammen hinreisen, setzen sie sich mit der lokalen Gartenkultur auseinander. Besuchen Gärten und Gärtnereien, Baumschulen und Gartenmärkte. Eine klare Trennung zwischen Beruf und Hobby gibt es nicht, hat es nie gegeben. «Ich bin so aufgewachsen auf der Farm», sagt Maja Tobler. «Leben und arbeiten – beides fügt sich ineinander.» Dann steht Olivier Zuber vor der Frage, ob er im Gartenbaugeschäft seines Vaters die Nachfolge antreten möchte oder nicht. Will er feste Strukturen übernehmen, sich binden oder lieber frei sein und sich irgendwo eine eigene Existenz aufbauen? Er entscheidet sich, und die beiden ziehen in den Kanton Graubünden. Olivier Zuber übernimmt das Geschäft, erweitert es nach seinen Vorstellungen, und Maja Tobler gründet ihr eigenes Planungsbüro in Haldenstein. Aber sie möchten mehr als das. Sie träumen davon, die Gartenkultur in der Region zu fördern. Anders als andere Bergkantone ist Graubünden reich an verschiedensten Gärten: Von historischen Bijous über artenreiche Alpengärten bis zu üppigen Selbstversorgergärten – es wird vielerorts mit Freude gegärtnert. Hier setzen die beiden an. Sie geben den Anstoss für das Gartenfestival auf Schloss Haldenstein bei Chur, das heute zu einem der beliebtesten Gartentermine der Schweiz geworden ist. Olivier betreibt einen Gartenblog, veröffentlicht ein Buch mit seinen Gedanken über die Gartenkultur Graubündens. Und schliesslich gründen die beiden das Gartenatelier und planen auf dem Gelände, auf dem Oliviers Vater und Grossvater einst Bäume und Stauden kultivierten, einen Garten nach dem anderen. 

​​Text Sarah Fasolin

Dieser Artikel erschien in der Schweizer LandLiebe #7 Herbst 2020. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper. 

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