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Der grosse Schwumm

Anna Ammann und Richard Patthey haben in Jens BE ihren Lebenstraum verwirklicht: Über mehrere Jahrzehnte schufen sie einen prächtigen Selbstversorgergarten mit Obstbäumen und Schwimmteich. Ein Besuch in ihrem Paradies.

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Anna Ammann geniesst ein erfrischendes Bad im Schwimmteich. Schilf und Seggen helfen, das Wasser auf natürliche Weise zu reinigen.

Still ists in Jens im Berner Seeland. So still, dass man die Libellen in der Luft schwirren hört. Rote, schwarze und zahlreiche grosse blaue Libellen kreisen über dem Wasser. Vom Teich aus schweift der Blick über die üppigen schon spätsommerlichen Blumenbeete hin zur rebenbewachsenen Pergola, zum Badhüsli mit Liegestuhl, zur Aussendusche, schön in einem lebendigen Weidengeflecht versteckt. Der Blick streift weiter über die Wiese mit den Obstbäumen. Eine Wildhecke gibt Sichtschutz, irgendwo blöken Schafe. Diese Idylle haben Anna Ammann, 67, und Richard Patthey, 71, über die letzten Jahrzehnte eigenhändig geschaffen. Schon in den Siebzigerjahren hatten die beiden im verträumten Seeländer Dorf Jens gewohnt. 

Richard war damals Informationsbeauftragter beim Schweizerischen Nationalfonds. Anna arbeitete als Kleinklassenlehrerin in Biel BE. Abends nach der Arbeit gingen die beiden oft über Land spazieren, genossen die Ruhe und die Aussicht. Auf ihrem Weg zum Wald kamen sie jeweils an dem alten «Taglöhnerhüsli» vorbei und dachten für sich: «Oh, was für ein lauschiges Plätzchen!» In dem recht verlotterten Haus, in dem es nicht einmal ein Badzimmer und nur ein Plumpsklo draussen gab, wohnte damals ein altes Ehepaar. Anna erinnert sich: «Manchmal luden uns die beiden auf ein Schnäpsli ein, und eines Tages erzählten sie, dass sie nun ins Altersheim ziehen müssten, weil der Besitzer, der in Amerika lebte, das Haus verkaufen wolle.» Anna und Richard fanden heraus, welcher Treuhänder sich um die Angelegenheit kümmerte. Bald darauf gehörte das Häuschen ihnen. Richard erinnert sich: «Blauäugig und ziemlich naiv haben wir uns in dieses Abenteuer gestürzt, denn das Haus war in einem wirklich schlechtem Zustand.»

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Bunte Herbstastern locken zahlreiche Schmetterlinge, Falter und andere Insekten an.

Eigenes Gemüse

Doch so «schitter» das Haus beisammen war, die beiden alten Leutchen hatten bis zuletzt einen Gemüsegarten gepflegt. Auch ein paar Beerenbüsche, alte Apfel- und Kirschbäume und ein Zwetschgen-baum standen auf der Parzelle. Anna, die schon immer eigenes Gemüse angebaut hatte, übernahm gleich die vorhandenen «Gartenbeetli» und pflanzte Salat, Spinat und alle möglichen Gemüse. Sie rät: «Wenn man an einem Ort neu anfängt, ist es das Beste, einfach mal alle möglichen Sorten auszuprobieren. So sieht man rasch, was an dem Standort gut wächst und was weniger.» Schon in der ersten Saison konnten sie eigenes Gemüse ernten. Es sei schon erstaunlich, wie viel damals gewachsen sei, obwohl sie neben der Renovation des Hauses nur wenig Zeit hatte, sich um die Gartenbeete zu kümmern, erinnert sich Anna. «Man muss halt einfach säen und pflanzen und dann schauen, was kommt, und von dem leben, was da ist. Irgendetwas wächst immer.» Sie lacht, ja, sie hätten sprichwörtlich von der Hand in den Mund gelebt: «Aber wenn man will, geht es immer irgendwie.» Bald einmal realisierten Anna und Richard, wie viel Arbeit alles macht. Und so beschlossen sie, beide ihre Arbeitspensen zu reduzieren. Er arbeitete noch 75 Prozent, seine Partnerin reduzierte auf 60 Prozent. «Fortan investierten wir jede freie Minute und jeden gesparten Franken in unser Hüsli», erzählt Richard. Auf den Knien hätten sie Küchenplatten verfugt und auch wochenlang einen alten Kachelofen aus dem Emmental abgeschliffen.

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Reiche Ernte: Aromatische Mirabellen scheinen nur darauf zu warten, eingemacht zu werden.

Geerbtes Allroundertalent

Die Deutschschweizerin Anna Ammann ist im Emmental aufgewachsen und hat praktisch ihr ganzes Leben auf dem Land verbracht. Sie wusste also zumindest im Garten Bescheid. Der französischsprachige Bieler Richard Patthey hingegen hat städtische Wurzeln, sass für die Freien Bieler Bürger im Stadtparlament. Ein bisschen eine Ahnung von Hausrenovation und Landwirtschaft hatte aber auch er. Richard erzählt, wie er als Bub seinem Vater geholfen habe, im Wallis ein Chalet zu bauen. «Mein Vater war ein richtiger Bricoleur.» Und sein Grossvater sei Uhrmacher, Bauer, Bänkeler und ebenfalls ein begnadeter Tüftler und Bastler gewesen. Richard lacht: «Damals konnte man das noch alles gleichzeitig sein.» Ein bisschen von diesem Allroundertalent seiner Vorfahren habe er wohl auf den eigenen Lebensweg mitgenommen. Anna findet das leicht untertrieben. «Eigentlich kann Richard alles bauen und flicken. Es kommt nur ganz selten vor, dass wir mal einen Handwerker beiziehen müssen.» 

Nach zwei Jahren intensiver Arbeit hatten sie das Haus so weit instand gesetzt, dass sie einziehen konnten. Das war im Jahr 1986. «Die energetische und alimentarische Selbstversorgung war uns von Anfang an ein Anliegen», betont Richard. Sie liessen Sonnenkollektoren zur Warmwasseraufbereitung auf dem Dach installieren, später kam auch Fotovoltaik dazu. Die neueste Errungenschaft ist eine geothermische Wärmepumpe mit Erdsonde, die sie kürzlich eingebaut haben. Aber im Winter kochen und heizen sie trotzdem meist mit Holz, weil es umweltfreundlicher ist als die Wärmepumpe, die Strom braucht. Im benachbarten Dotzigen konn-ten sie ein Stück Wald erwerben. Jahrelang haben sie selber geholzt: «Fällen, ausasten, metern, putzen, aufladen.» Danach wurde das Holz zwei Jahre gelagert, «dann sägen und spalten, so kompliziert ist das nicht, es ist einfach nur sehr, sehr viel Arbeit». Richard lacht: «Jetzt aufs Alter hin machen wir das nicht mehr selber. Nun kaufen wir das Holz bei den umliegenden Bauern.»

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Ein Genuss für Augen und Gaumen: mit viel Liebe eingekochte und eingemachte Früchte, Konfitüren, Sirups, Mus und Kompott.

Das Gepredigte umsetzen

Ab 1992 arbeitete Richard bei der Stiftung für Landschaftsschutz. Dort verschmolzen seine privaten und beruflichen Erfahrungen. Er sagt: «Ich habe in den Gemeinden gepredigt, wie man die Sachen richtig angehen muss, und daheim habe ich das Gepredigte selber in die Praxis umgesetzt. So habe ich besser verstanden, wo die Probleme der Leute liegen.» Für Anna hingegen war die Arbeit an Haus und Garten ein guter Ausgleich zur Schule. «Hier konnte ich meine Wurzeln spüren, mich erden und Kraft schöpfen für meine Arbeit.»Mit vierzig stieg sie aus dem Schuldienst aus, machte eine Zusatzausbildung und baute als Sozialtherapeutin die therapeutische Wohngruppe Biel mit auf. Daneben war sie politisch tätig, engagierte sich im Vorstand der Gewerkschaft VPOD und in der Frauenbewegung. Jahrzehntelang war sie eine treibende Figur im Bieler Kulturleben; so manche Institution wäre wohl gar nicht gegründet worden ohne Anna Ammann. Und mit der gleichen unermüdlichen Energie arbeitet sie mit Richard zusammen an ihrem Lebensprojekt: dem «Taglöhnerhüsli».

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Noch blühen die Sonnenblumen prächtig, aber der Bauer hat das Feld im Hintergrund schon gepflügt. Der Herbst naht.

Die Entstehung des Teiches

Anna hatte schon ihr Leben lang davon geträumt, vor dem Haus schwimmen zu können. Im Jahr ihres Einzugs ergab sich die Gelegenheit, den Traum zu erfüllen. Im Dorf erfolgte damals die Güterzusammenlegung, und da sollte auch der Bach kanalisiert werden. Im Zuge davon wurde ihre Zufahrt neu konzipiert, und vor dem Haus standen grosse Bagger. So ergab eins das andere. Für die Einlegung des Baches und fürs Aufschütten der alten Wege und der Zufahrt wurden Erde und Humus gebraucht. «Wir sagten den Arbeitern, sie könnten die Erde bei uns nehmen, da wir gern ein grosses Loch vor dem Haus hätten», erinnert sich Richard. Die beiden lachen, ja, so seien sie zu ihrem Teich gekommen. Nach der Baggerübung hatten sie erst mal ein Loch vor dem Haus und kein Geld, um weiterzufahren. Anna erzählt: «Die nächsten zwei Jahre sparten wir für die Teichfolie. Es war damals sehr teuer, eine 415 Quadratmeter grosse Teichfolie zu kaufen.» Ausserdem brauchten sie die Hilfe eines spezialisierten Gärtners, der die Folienbahnen fachgerecht zusammenschweissen konnte. 1988 wurde die Folie schliesslich verlegt. «Dann haben wir Wasser reingelassen, um zu schauen, ob alles dicht ist. Sobald der Teich voll war, bin ich gleich hineingesprungen, ich hatte solche Freude», erinnert sich Anna. Der grosse Teich misst rund 25 auf 15 Meter, der kleine 10 auf 5 Meter, sie sind durch ein Bächlein verbunden und werden von der hauseigenen Quelle gespeist. Der grosse Teich dient zum Schwimmen, im kleinen Teich reinigen Pflanzen das Wasser.

Text Sabine Reber Fotos Stöh Grünig

Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #4/2017. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper.

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