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Gärtnern am Hang

Gartenzimmer mit Aussicht

Wie ein Adlerhorst schmiegt sich der Garten von Imelda Leiggener an eine sonnige Felswand oberhalb des geschäftigen Walliser Städtchens Visp. Auf kleinstem Raum hat sie dort ein Bijou geschaffen, das voller Überraschungen steckt.

Garten
Material für Sträusse und Gestecke sammelt Imelda Leiggener am liebsten in der Natur und im Garten.

Der Walliser Herbst ist ein Feuerwerk der Farben. Ähnlich wie in Neuengland, das jedes Jahr Tausende von Naturfarben-Junkies anzieht, begünstigt das trockene, warme Klima eine prächtige Laubfärbung. An den Hängen leuchten nun Kirschbäume, Perückensträucher und Ebereschen um die Wette. Ihr Rot und Orange verschmilzt mit dem Goldgelb der Lärchen. Die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel – Indian Summer auf Schweizer Art! Auch im Garten der Leiggeners in Eggerberg oberhalb von Visp VS geht es nun bunt zu. Berg-Ahorn Acer pseudoplatanus, Chinaschilf Miscanthus sinensis, Spierstrauch Spirea, Maiglöckchen Convallaria majalis, Jungfernrebe Parthenocissus tricuspidata und die Rostrote Weinrebe Vitis coignetiae verwöhnen die Sinne mit einer grossen Vielfalt an Formen und Farben.

Garen

Die Hagebutten von Rosa gallica ‘Scharlachglut’ sind besonders prächtig.

Am Anfang war ein Knall

Ehe sich Imelda Leiggener und ihr Mann Bruno den Traum vom eigenen Heim und Garten verwirklichen durften, gab es im wahrsten Sinn des Wortes einen Knall: Als das Pärchen Ende der Achtzigerjahre einen Bauplatz im Dorf Eggerberg erwarb, bedurfte es etlicher Sprengungen, um dem steilen, unnachgiebigen Felsen einen ausreichend flachen Platz für ein Haus abzuringen. Die Eggerberger werden übrigens nach den dort ansässigen Smaragdeidechsen auch «Grieniga» genannt. Die hübschen, nützlichen und wärmebedürftigen Reptilien finden an den sonnigen Halden das ideale Habitat und bewegen sich geschickt im unwegsamen Gelände. Ähnlich wendig bewegen sich die Dorfbewohner auf ihren teils schwer zugänglichen Grundstücken.Nach der Terrassierung des Areals entstand direkt am Haus ein knapp hundert Quadratmeter grosser Garten, der anfangs vor allem den Kindern als Spielplatz diente. «Das eigene Gemüse war uns aber immer wichtig. Das ist bei uns im Wallis Tradition», erzählt Imelda Leiggener, deren Mutter stets alle mit gesundem Gemüse aus eigenem Anbau versorgt hatte. Der Gemüsegarten nahm etwas abseits Gestalt an und wird über einen schmalen Gamspfad erreicht. Das Gärtnern an den sonnigen Halden ist nur etwas für Schwindelfreie.

Ziergärten kannte man hierzulande früher weniger, aber Blumen wie Dahlien, Kosmeen, Sonnenblumen und andere einjährige tanzten schon immer durch die Gemüsereihen und sorgten für fröhliche Farbtupfer. Da Imelda und ihr Mann beide berufstätig sind, wurde die Gestaltung des Ziergartens erst einmal hintangestellt. Aber alles hat seine Zeit, und als Sandkasten, Schaukel und Fussball mit zunehmendem Alter der Kinder verschwanden, kam der Wunsch nach einem Wohnzimmer im Grünen auf.

Garten

Ramblerrosen wie ‘Bobby James’ produzieren reichlich Früchte, brauchen aber viel Platz.

Eine Herausforderung

In einer Ecke des abschüssigen Grundstücks gab es eine natürliche Mulde, die für die Anlage eines Teiches wie geschaffen war. Im Jahr 2000 vergrösserten Imelda und Bruno die Senke und legten sie mit Teichfolie aus. Bruno baute danach im Alleingang einen Bachlauf als Überraschung. «So kann das aber nicht bleiben», rief seine Frau erschrocken, als sie abends heimkam. Und so blieb es auch nicht: Bruno musste alles wieder ab- und umbauen. Seither gibt es bei wichtigen Veränderungen Absprachen mit der «Obergärtnerin». Imelda lacht bei der Erinnerung an dieses Intermezzo. Der Teich zog im Nu allerlei Lebewesen an: Frösche, Libellen und Molche tummeln sich im klaren Wasser zwischen den Seerosen. Vögel nehmen gern ein Bad, denn Wasser ist an diesen kargen Felshängen rar, und jede Quelle der Erfrischung wird von Mensch und Tier gleichermassen geschätzt. Das Plätschern des Bachs wirkt belebend, und an Sommertagen ist der Sitzplatz beim Biotop ein herrlicher Ort, um im lichten Schatten die Seele baumeln zu lassen. Dank des Niveauunterschieds ist eine intime Nische entstanden, die nur von einer kleinen Holzterrasse im Hauptgartenbereich einsehbar ist.Das Wallis ist für sein gutes Wetter bekannt. Vierzig Viertausender schirmen das Tal ab und sorgen für ein angenehmes Klima, welches in niedrigeren Lagen fast südländisch anmutet und auch empfindlichere Gewächse begünstigt. Allerdings ist das Wallis aufgrund ebendieser Berge auch die niederschlagsärmste Region Mitteleuropas. Die Sonne und der starke Wind im Rhonetal trocknen den steinigen, sandigen Boden aus und machen das Gärtnern zu einer Herausforderung. Fürs «Tschute» war der Boden ja okay gewesen, wenn auch ein hoher Verschleiss an der Tagesordnung war, da viele Bälle im Tal landeten. Aber Pflanzen haben eine andere Vorstellung von guten Bedingungen.

Garten

Von der Terrasse geniesst man einen Traumblick auf den Mischabel.

Verbesserte Bodenqualität

Der Zugang zum Garten ist schwierig und nur über den Hang von oben her möglich. So wurde Mist in der Tschiffra – dem Walliser Rückentragkorb – herangetragen und im Garten verteilt. Durch die regelmässigen Mistgaben hat sich die Bodenqualität mittlerweile verbessert. Kompost stellt Imelda selbst her, aber es ist nie genug, um alle Beete damit zu versorgen.

Text und Fotos Annette Lepple

Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #5/2017. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper.

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