Gartenservice
Wilde Töpfe
Filigran, unaufdringlich und verspielt: Einheimische Wildstauden pflegen den dezenten Auftritt. Doch sie sind für alle ein Gewinn – sie laden die Kleinsten im Tierreich zu Tisch und wachsen unkompliziert auch im Topf.

Es mangelt an Unterkünften, Verpflegung und Lebensraum. Die Not in der Insektenwelt ist gross und weckt das Bedürfnis, den kleinen Tierchen in irgendeiner Form zu helfen. «Seit einigen Jahren wird die Nachfrage nach einheimischen Wildpflanzen immer grösser», sagt Franziska Vollenwyder, die vor zehn Jahren in Bremgarten bei Bern eine eigene kleine Gärtnerei aufgebaut hat, den «Chutzegarte». «Die Leute fragen konkret nach Futterpflanzen für Schmetterlinge oder andere Insekten.»
Ein schöner Nebeneffekt: Bei Pflanzen, die besucht werden, gibt es auch immer etwas zu beobachten. Oder wie der bekannte deutsche Naturgärtner Reinhard Witt in seinem «Wildpflanzen-Topfbuch» schreibt: «Wildpflanzen zaubern Leben herbei. Ihr Dasein ist ein Stück des Pakts, der in der Natur zwischen Pflanzen und Tieren geschlossen wurde.» Für einen Beitrag braucht es nicht einmal einen grossen Garten, sondern es reicht schon ein kleiner Balkon. «Jede auch noch so kleine Fläche ist willkommen», sagt Vollenwyder.
Doch welche Wildpflanzen eignen sich für die Topfkultur, und wie kombiniert man sie, dass es auch noch schön aussieht? Denn anders als viele Zierpflanzen, die spezifisch auf eine lang anhaltende Blütezeit hin gezüchtet wurden, blühen Wildpflanzen nur so lange, bis sie bestäubt werden, und bilden danach Samen. Je nach Art dauert diese Phase mehr oder weniger lang. Einige Pflanzen können nach der Blüte zurückgeschnitten werden, sodass sie nochmals neu austreiben und ein zweites Mal blühen. Dazu gehört zum Beispiel die Gewöhnliche Wiesen-Schafgarbe Achillea millefolium, die Pfirsichblättrige Glockenblume Campanula persicifolia, die Gewöhnliche Wiesenmargerite Leucanthemum vulgare, die Himmelsleiter Polemonium caeruleum oder der Wilde Dost Origanum vulgare. Bei vielen Pflanzen haben aber auch die Samenstände einen grossen Zierwert und geben im Zusammenspiel mit anderen Pflanzen ein attraktives Bild ab. Und vielleicht entdecken Vögel die Samen und holen sie sich – ein weiteres Schauspiel. Ein Vorteil von mit Wildpflanzen bestückten Balkongefässen ist ausserdem, dass sie fast ohne Winterschutz durch die kalte Jahreszeit kommen. Für den Schutz des Wurzelballens können kleinere Gefässe mit einem Wintervlies eingepackt werden. Damit die Keramiktöpfe nicht zerspringen, müssen sie im Winter aber leicht erhöht auf Füssen stehen. Wer keine solche hat, kann auch ein paar kurze Holzlatten verwenden. Im Frühling schneidet man das verdorrte oberirdische Pflanzenmaterial ab, und die Pflanze treibt neu aus.
Wichtig beim Zusammenstellen eines Wildpflanzentopfs ist, die Bedürfnisse der Pflanzen und die Bedingungen des Balkons zu kennen. Für sonnige Standorte ist die Auswahl an Pflanzen am grössten, aber auch für halbschattige und sogar schattige Lagen gibt es eine Auswahl an verschiedenen Arten. Franziska Vollenwyder hat für die LandLiebe drei Pflanzvorschläge zusammengestellt. Substrat und Einschichtung bleiben bei allen Beispielen gleich.

MATERIALLISTE • Töpfe mit Abflusslöchern (vorzugsweise aus Keramik, da diese die Wurzelballen im Winter am besten schützen) • Topffüsse • Kies oder Tonkügelchen für die Drainage • Vlies • Scheren • Substrat • Hornspäne • Pflanzenmesser oder Baumschere • Pflanzen • Giesskanne Stöh Grünig

1 DRAINAGE Das untere Drittel des Topfs wird mit Steinen, Tonkügelchen oder Kies aufgefüllt, dies dient als Drainage. So kann das Wasser später gut ablaufen – stehendes Wasser würde die Wurzeln faulen lassen. Stöh Grünig

2 GARTENVLIES Als Trennung zwischen Drainage und Substrat wird ein Gartenvlies oder ein wasserdurchlässiges Tuch, das passend zugeschnitten ist, in den Topf gelegt. Stöh Grünig

3 ERDE Jetzt wird der Topf mit Erde gefüllt. Da die meisten Wildstauden eher mageres Substrat brauchen, eignet sich Universalerde, die mit mineralischem Substrat (Trogerde) ergänzt wird. Stöh Grünig

4 HORNSPÄNE Als sich langsam abbauende Nährstoffreserve kann eine Handvoll Hornspäne unter die Erde gemischt werden. Der Stickstoff, der dadurch verfügbar wird, ist wichtig für das Wachstum der Pflanzen. Der Vorgang wird am besten jeden Frühling wiederholt. Stöh Grünig

5 BEPFLANZEN Jetzt werden die Pflanzen gesetzt und so kombiniert, dass solche mit unterschiedlichen Wuchshöhen, Blatt- und Blütenformen sowie möglichst verschiedenen Blütezeiten nebeneinanderstehen. Die Wurzelballen mit einem scharfen Messer aufschneiden, um das Wurzelwachstum anzuregen. Gut andrücken, um Luftlöcher im Substrat zu schliessen. Stöh Grünig

6 GIESSEN Um das Anwachsen zu erleichtern, giesst Franziska Vollenwyder die Töpfe mit Wasser, das sie mit Mikroorganismen angereichert hat. Stöh Grünig
Text Sarah Fasolin Fotos Stöh Grünig
Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #2/2024.