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Altes Schweizer Handwerk

Der Küfer aus Berneck, St. Gallen

Seit fünf Generationen beherrschen sie es: das Zusammenspiel von Kraft und Präzision. Heute ist es Martin Thurnheer, der in der Ostschweiz wie seine Vorväter in der «Küefi» Fässer zimmert.

Altes Handwerk: Küfer Martin Thurnheer steckt den Kopf ins Fass
Steckt Martin Thurnheer die Nase ins Weinfass, empfängt ihn ein Feuerwerk von Aromastoffen: Vanille, Schokolade, Dörrpflaume, Kokos und viele mehr.

Der Wein und sein Holzfass

Zwei Böden, Dauben, die leicht konvex gebogen sind, um so die charakteristische bauchige Form zu geben, und ein Fass. Ziemlich simpel, oder? Selbstverständlich steckt dahinter sehr viel mehr. Nicht umsonst gilt die Wahl des richtigen Fasses als eine der wichtigsten Entscheidungen, die Winzer und Kellermeister zu treffen haben. Dem Charakter des Weines entsprechend sollen sich die Aromastoffe, die das jeweilige Holzfass abgibt, harmonisch mit dem Rebensaft vereinen. Die angestrebte Liaison lässt sich in ihrer Komplexität mit der einer Liebesbeziehung vergleichen. Erst die Zeit entscheidet über die Qualität der Verbindung.

Küfer Martin Thurnheer prüft sein Fass

Der Blick ins Fass bringt Risse, Fehler und Brüche ans Tageslicht. Was fehlerhaft ist, wird sofort ausgewechselt.

Der einzige Schweizer Küferlehrling

Die Liebe zur Küferei wird Martin Thurnheer in die Wiege gelegt. Wie vier Generationen vor ihm fasziniert ihn der Prozess, der aus einem Baumstamm ein Fass werden lässt. Als Kind sind die Werkbank als Ablage für Dutzende Hobel, die Bandsäge, Kehlmaschine & Co. für ihn noch tabu. Doch später, wann immer er seinen Vater bei der Arbeit unterstützen darf, zeigt sich sein handwerkliches Geschick und sein Interesse am Holz. Mit den Jahren kommen körperliche Fitness und räumliches Denken hinzu. Zwei wichtige Voraussetzungen für einen Küfer. Denn der Weg zum Fass führt nun mal über «Powern und Millimeterlen». Während seiner dreijährigen Ausbildung ist Martin Thurnheer in der Schweiz der einzige Küferlehrling. Auch diesen Sommer schliesst gerade mal ein einziger Fassbinder ab. Es gibt schlicht zu wenig Betriebe. Dass die Küferei Thurnheer bis heute überlebt hat, liegt nicht etwa nur an der Lage. Berneck gilt mit vierzig Hektaren Reben als grösste Weinbaugemeinde des Kantons St. Gallen. Wurde das Fass in seinen einstigen Funktionen wie dem Konservieren, Transportieren, Waschen und Baden abgelöst, schaffte es nur in die Zukunft, wer als Küfer neue Wege ging. Und so kommt es, dass die Thurnheers als einzige der fünf Küfereien in Berneck überleben.

Küfer Martin Thurnheer bearbeitet das Fass mit Hammer

Durch das Zusammenspiel von Feuer und Wasser lässt sich Holz zu einem Fass biegen und bändigen.

Küfer Martin Thurnheer beim Einpassen der Fassböden

Eine runde und zugleich anspruchsvolle Sache ist das Einpassen der Fassböden.

Orientierung an den Winzern

Martin Thurnheer orientiert sich heute eng an den Bedürfnissen der Winzer. Diese tendieren dazu, Grösse und Holz des Fasses sehr genau auf den Wein abzustimmen. Sind neue Geschmäcker gesucht, ist beim Küfer Flexibilität gefragt. Neben Eiche kommen vermehrt Kirsche, Akazie, Lerche und Kastanie zum Einsatz. Deren unterschiedliche Beschaffenheit zeigt sich bereits in der Bearbeitung. Sein Holz wählt Martin Thurnheer vor Ort im Wald. Die Stämme werden im Winter, wenn der Baum nicht im Saft steht, gefällt. Ist das Holz der Stabilität wegen mit parallel laufenden Jahresringen gespalten, der Spint und das Herz abgetrennt, muss es trocknen.

Text: Bettina Bono

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Dieser Artikel erschien in der Schweizer LandLiebe #5 September, Oktober 2019
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Stichworte: Handwerk, Reportage