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Wind in der Mähne

Islandpferde im Zürcher Oberland

Auf Island ist durch jahrhundertelange Isolation und Reinzucht eine besondere Pferderasse entstanden, die auch bei uns sehr beliebt ist. Ein Besuch bei den passionierten Islandpferde-Besitzern Oliver Egli und Caroline Wyser im Zürcher Oberland.

Islandpony im Zuercher Oberland: Oliver Egli und Caroline Wyser
In rhythmischem Viertakt stieben die Pferde durch den Schnee, die Reiter sitzen dabei ganz ruhig im Sattel. Oliver Egli und Caroline Wyser zeigen, was am Islandpferd so speziell ist: die Gangart Tölt nämlich.

Feine Nebelschwaden hüllen die Landschaft ein, der Wind pfeift frostig über die Hügel. Auf den Feldern liegt Schnee, schimmert silbern im Morgenlicht. Wie still es in dieser winterlichen Welt doch ist, das kühle Weiss verschluckt fast alle Geräusche. Nur dumpf ist das Trommeln von Hufen zu vernehmen und dann und wann ein Schnauben. Zwei kleine Pferde verursachen die Geräusche; übermütig galoppieren sie über eine Weide, foppen sich, balgen, spielen ungestüm. Wallend fliegen ihre dichten Mähnen im Wind – wie hübsch die beiden doch sind!

Kleines Isländer-Refugium

Birkir und Kjudi – so heissen die zwei – sind Islandpferde. Sie leben aber nicht in ihrer ursprünglichen Heimat, der wilden Insel aus Feuer und Eis im Nordatlantik, sondern zusammen mit fünf Artgenossen auf dem Blackten-Hof in Bauma ZH. Dort im Zürcher Oberland haben Oliver Egli und dessen Lebenspartnerin Caroline Wyser ein kleines Isländer-Refugium geschaffen. Auf dem Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert mit umgebautem Wohnteil, Offenstallungen, grossen Paddocks und Weiden leben der Gartenbau-Unternehmer und die angehende Tierärztin ihre Leidenschaft für die charismatischen kleinen Pferde aus dem hohen Norden – für jene Equiden, die in ihrer Heimat wichtiger Teil der kulturellen Identität sind. Doch davon später.

Islandpferd Kjudi

Im Winter bilden Isländer ein dichtes, schützendes und isolierendes Fell. Islandpferd Kjudi 

Islandpferd Kjudi wälzt sich im Schnee

Kjudi geniesst es, sich im Schnee zu wälzen. Sein Winterfell bietet genügend Schutz vor Kälte und Nässe.

Anfänge der Freizeitreiterei

Das Reiten von Islandpferden ist für Freunde dieser Rasse meist mehr als eine Freizeitbeschäftigung. «Es ist Ausdruck eines Lebensgefühls», sagt Caroline Wyser. Denn vieles im Umgang mit Islandpferden sei naturnaher, robuster, echter irgendwie als mit anderen Pferden, fügt die Veterinärstudentin an, die kurz vor dem Staatsexamen steht. 

Um dies zu verstehen, muss man sich in die 1950er-Jahre zurückversetzen. Bei uns bedeutete Reiten damals in erster Linie Dressur und Springen. Die dabei eingesetzten Warmblutpferde wurden fast ausschliesslich in Boxen gehalten. Doch dann kamen die Immenhof-Filme, die eine ganz neue Welt aufzeigten. In diesen deutschen Heimatproduktionen ritten Kinder unbeschwert auf Shettland- und Islandponys durch die Natur und lernten dabei Wichtiges fürs Leben. Durch diese Filme wurde die Freizeitreiterei in breiten Kreisen bekannt, und es führte gleichzeitig zu ersten Importen von Islandpferden aus dem Ursprungs and nach Kontinentaleuropa.

Diese ersten Bekanntschaften mit der fremden Pferderasse, die Sommer und Winter im Freien in Offenställen sowie in Herden gehalten und auch anders geritten wird als grosse Warmblüter, sprach zunächst nur wenige Menschen an. Gleichwohl war es die Initialzündung einer Veränderung im Umgang mit Pferden: Der Weg wurde geebnet für pferdegerechtere Haltungsformen, neue Reitweisen und natürlichere Ausbildungen. Als Resultat werden heutzutage viele Pferde unterschiedlichster Herkunft in Freilaufställen und in Gruppen gehalten. Und selbst für teure Sportpferde ist es fast normal geworden, Weidegang zu erhalten.

Islandponys im Schnee

In Island sind die Pferde Teil der kulturellen Identität.

Tanzende Tölter

Doch zurück ins winterliche Zürcher Oberland zu den Isländern. Diese stehen nicht nur als Symbol für eine Neuorientierung in der Pferdehaltung. Sie begeistern vor allem auch durch ihr liebeswürdiges, kooperatives Wesen, ihr sympathisches Äusseres sowie durch ihre spezielle Veranlagung zu ungewöhnlichen Gangarten: zum Tölt und zum Pass oder Rennpass. Diese neben Schritt, Trab und Galopp zusätzlichen Gänge sind bei Islandpferden genetisch fixiert. Wobei nicht alle den Rennpass beherrschen, die meisten haben indes die Veranlagung zum Tölten.

Islandponys: Oliver Egli mit Birkir und Caroline Wyser mit Kjudi

Glücksgefühle: Oliver Egli mit Birkir und Caroline Wyser mit Kjudi bei einem winterlichen Ausritt in Bauma ZH.

Mehr Glück geht nicht

Doch worin besteht denn die Faszination für diese besondere Gangart? «Ein töltendes Pferd zu reiten, ist wie durch eine Landschaft zu gleiten», sagt Oliver Egli. Er muss es wissen, hat er doch mit seinen Turnierpferden Dengsi, Styrkur, und Birkir schon achtzehnmal den Schweizer Meistertitel in der Vier-gang-Prüfung (Schritt, Trab, Galopp, Tölt) gewonnen und auch an Weltmeisterschaften schon mehrere Top-10-Platzierungen erreicht. Tölt ist ein Viertakt. Das Pferd hat dabei immer ein oder zwei Beine am Boden und gleitet geschmeidig wie ein Tänzer und für den Reiter fast erschütterungsfrei dahin. Dies ermöglicht ein bequemes Sitzen, auch über längere Strecken und selbst bei hoher Geschwindigkeit. Das dabei schön aufgerichtete Pferd, die fliegende Mähne, die im Stakkato trappelnden Hufe und das vor Energie sprühende Tier – diese Mischung kann süchtig machen. Oder wie es Caroline Wyser ausdrückt: «Mehr Glück geht nicht!»

Text: Corinne Schlatter
Dieser Artikel erschien in der Schweizer LandLiebe #8 Januar/Februar 2019. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper. 

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