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Eichhörnchenweg Arosa GR

Rendez-vous mit einem Eichhörnchen

Akrobatisch wirbeln sie von Baumkrone zu Baumkrone, klettern alsbald flink den Stamm hinunter, kommen ganz nah und fressen sogar aus der Hand. Entlang des Eichhörnliwegs in Arosa GR kennen die possierlichen Nager kaum Scheu.

Rotes Eichhörnchen auf einem Ast
Mithilfe des buschigen Schwanzes können Eichhörnchen beim Klettern und Springen das Gleichgewicht halten. Zudem wird er im Flug von Ast zu Ast oder Baum zu Baum als Steuerruder eingesetzt und dient auch zur Kommunikation mit Artgenossen.

Schon Goethe war entzückt

Schau, da ist eins! Und dort weiter oben im Baum gleich noch ein anderes. Ein drittes guckt mit seinen Kulleraugen hinter einem Ast hervor. Flink klettert es danach den Stamm empor in Richtung Krone. An einer Gabelung hält es plötzlich inne, richtet sich auf und beginnt aufgeregt an einem Fichtenzapfen zu zupfen. Diesen hält es manierlich in den Pfötchen.

Eichhörnchen! Gleich mehrere aufs Mal! «Jöö», denken wir. Und sagen es auch noch laut: «Jöö – so härzig!» Mit solch positiven Gefühlen sind wir nicht allein. Schon weiland Johann Wolfgang von Goethe war beim Anblick der putzigen Tiere entzückt und befasste sich mit der Frage, warum uns die Betrachtung von Eichhörnchen so viel Vergnügen bereitet? «Weil es als die höchste Ausbildung seines Geschlechtes eine ganz besondere Geschicklichkeit vor Augen bringt», hielt der deutsche Dichter und Naturforscher vor zweihundert Jahren fest. «Gar zierlich behandelt es ergreiflich kleine appetitliche Gegenstände, mit denen es mutwillig zu spielen scheint, indem es sich doch nur eigentlich den Genuss dadurch vorbereitet und erleichtert. Dies Geschöpfchen, eine Nuss eröffnend, besonders aber einen reifen Fichtenzapfen abspeisend, ist höchst graziös und liebenswürdig anzuschauen.»

Eichhörnchenweg Arosa: Eichhörnchen-Skulptur und Wegweiser

Eichhörnchen-Skulpturen aus Holz führen zum «tierischen» Themenweg.

Unterwegs auf dem Eichhörnliweg

Wir sind unterwegs auf dem Eichhörnliweg in Arosa GR. Der Themenweg, der vom Dorf (ab Hotel BelArosa via Tomelistrasse) knapp zwei Kilometer durch den Wald hinauf nach Maran führt (oder umgekehrt), ist hierzulande nicht der Einzige seines Genres. Aber wohl der bekannteste. Seit Jahrzehnten – ja seit mehr als hundert Jahren, wie einige sagen – tummeln sich die pelzigen Waldbewohner in den Bäumen entlang dieses Pfades, springen von Krone zu Krone, klettern an den Stämmen rauf und runter, balancieren, spielen, kokettieren mit dem Publikum. Und mitunter kommen sie bis an den Wegrand, wagen sich ganz nah an die Besucher heran und fressen zutraulich aus der Hand.

Rotes Eichhörnchen am Essen

Eichhörnchen sind Einzelgänger. Wenn ein reichliches Futterangebot das Leben erleichtert, werden sie aber toleranter im Umgang mit ihren Artgenossen. Im Winter werden aus den Ohren lange Haare wachsen, die aussehen wie Hörnchen. Man nennt sie Pinsel.

«Eine Garantie dafür gibt es natürlich nicht», erklärt Roland Schuler und lacht. Der stellvertretende Tourismusdirektor, der für die Wander-, Bike- und Themenwege auf dem Gebiet des Höhenkurorts zuständig ist, beobachtet vor allem nach besucherintensiven Ferienwochen im Sommer eine gewisse Übersättigung und einen kurzen Rückzug der Nager. Doch schon wenig später treibe es die munteren Kerlchen wieder in die Nähe der Menschen. Dass von Letzteren keine Gefahr droht, ist bei den Aroser Eichhörnchen wohl seit Generationen in den Genen verankert. Ausserdem wissen sie instinktiv, dass ab dem Spätsommer mit dem Sammeln und Verstecken des Wintervorrats begonnen werden muss. Dafür eignen sich die von den Touristen mitgebrachten Nüsse (am Bahnhofskiosk erhältlich) natürlich ausgezeichnet. Wer von zu Hause Baum- oder Haselnüsse mit ins Schanfigg bringt, sollte darauf achten, dass diese ungeschält sind. So müssen die Nagetiere zum Knacken der Nussschalen ihre Zähne einsetzen. Diese werden dabei geschliffen.

Rotes Eichhörnchen nagt an Tannzapfen

Einst schrieb Johann Wolfang von Goethe: «Dies Geschöpfchen einen reifen Fichtenzapfen abspeisend, ist höchst graziös und liebenswürdig anzuschauen.» Heutzutage sagen wir kurz und bündig einfach nur «Jöö!».

Wie es so dasitzt, keck in die Welt blickt, den hochgestellten, buschigen Schwanz über den Rücken gelegt, wirkt das Eichhörnchen fast, als würde es für die Kamera posieren. «Skiouros» – «der sich mit dem Schwanz Schatten Spendende» – haben die alten Griechen das kleine Tier poetisch genannt. Diese Beschreibung ist im lateinischen Gattungsnamen Sciurus bis heute erhalten. Der lange Schwanz ist aber nicht wirklich ein Schattenspender, sondern dient bei Sprüngen von Wipfel zu Wipfel als Steuer und beim Klettern als Balancierstange. Zudem kommunizieren Eichhörnchen auch mit ihrem Schwanz und setzen vor allem bei der Balz Signale. Und im Winter können sie sich damit auch ein wenig wärmen. «Sciurus vulgaris» – so lautet der wissenschaftliche Name für das bei uns heimische Europäische oder Eurasische Eichhörnchen. Der deutsche Name kommt indes nicht wie vermutet von der Eiche oder den Eicheln, welche die Nager zwar fressen, der Gerbsäure wegen aber nicht besonders mögen. Die Bezeichnung stammt vom altgermanischen Wort «aig» ab, was «gewandt, lebhaft» bedeutet. Wie treffend für das agile Tier, das bei uns und in Österreich auch den Trivialnamen Hansi trägt. Seit wann? Warum? Das ist nicht exakt verbürgt – Hansis aus Schoggi gibt es in den lokalen Confiserien jedenfalls schon seit einer Ewigkeit.

Eichhörnchen gehören zur Familie der Hörnchen («Sciuridae») und sind ebenso mit den Murmeltieren verwandt wie mit den Präriehunden. Weltweit gibt es 28 Eichhörnchen-Arten, die meisten leben in Nord und Südamerika. Unsere einheimische Art besiedelt ein riesiges Gebiet, das fast ganz Europa und das nördliche Asien umfasst. Dabei variiert die Farbe von leuchtend rot bis dunkelbraun, jedoch stets mit weisser Körperunterseite. In tief gelegenen Regionen wie etwa Deutschlands Norden überwiegt die rote, in Höhenlagen die dunkle Varietät. Deshalb trifft man in der Schweiz mehr braune bis schwarze Individuen als rote an – dies bereits im Mittelland, noch deutlicher aber in den Bergen. So auch in Arosa.

Text: Corinne Schlatter

Den ganzen Artikel lesen Sie in der Schweizer LandLiebe #5 / September, Oktober 2019. Hier geht es zum E-Paper. 

Hier erfahren Sie mehr über den Eichhörnliweg. 

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Stichworte: Reportage